[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Deutsche Bibliothek und Boersenverein - ein Teufelspakt



Mir wurde folgendes zugespielt:

http://deposit.ddb.de/netzpub/web_rahmenvereinbarung.htm

<citat>

 4 Zugriff auf die archivierte Netzpublikation
(1) Auf Netzpublikationen, die im Depotsystem der Bibliothek
gespeichert sind, kann nur durch berechtigte Nutzer innerhalb der
Standorte der Bibliothek in Leipzig, Frankfurt a.M. und Berlin
zugegriffen werden. Jede andere Nutzungsform oder jeder andere
Nutzungsort bedarf der schriftlichen Vereinbarung mit dem Ablieferer.
Diese kann uber das von der Bibliothek eingerichtete Anmeldeformular
erfolgen. Fur die Einrichtung "regionaler Fenster" der
Regionalbibliotheken (? 6 Abs. 2) kann eine abweichende Regelung
getroffen werden.

(2) Berechtigte Nutzer sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und
eingeschriebene Benutzer der Bibliothek. Der Zugang zum Depotsystem
der Bibliothek ist berechtigten Nutzern ausschlie?lich uber Endgerate
innerhalb der Standorte der Bibliothek in Leipzig, Frankfurt a.M. oder
Berlin moglich und gestattet. Berechtigte Nutzer identifizieren sich
dem System gegenuber durch eine individuelle Benutzerkennung und ein
Passwort.
Die Netzpublikationen im Depotsystem der Bibliothek sind vor dem
Zugriff durch unberechtigte Nutzer durch technische Ma?nahmen im
erforderlichen Umfang geschutzt.

(3) Ausdruck und Downloads von Teilen der Publikationen zu privaten
Zwecken sind erlaubt, sie konnen an jeweils einer zentralen Stelle an
den Standorten der Bibliothek erstellt werden. Die Ausdrucke und
Downloads sind kostenpflichtig.

</citat>

***

Erklärung der IuK
Initiative Information und Kommunikation der wissenschaftlichen
Fachgesellschaften in Deutschland

zur

Rahmenvereinbarung Netzpublikationen Deutsche Bibliothek/ Börsenverein
[1]

Abschied vom Informationszeitalter

   1.In Vereinbarung mit dem Börsenverein unterbindet Die Deutsche
Bibliothek den Internetzugang auf bei ihr archivierte Netzpublikationen
von
     Mitgliedsverlagen des Vereins. 

     Die deutsche Nationalbibliothek scheidet damit als möglicher
Bestandteil eines zukünftigen Systems der dauerhaften Versorgung von
Forschung und Lehre
     mit Referenz- und Arbeitsmaterial einstweilen aus. Ein solches
System, das auf einem vertretbaren Kostenniveau arbeiten soll, setzt die
konsequente Nutzung
     und weitere Entwicklung der neuen Informations - Technologien zur
Eröffnung breiter Zugangmöglichkeiten voraus.

     Die IuK-Initiative Wissenschaftlicher Fachgesellschaften ([2]) muss
daher die Vereinbarung als im Kern wissenschaftsfeindlich kritisieren.

   2.Die Vereinbarung sieht die Hinnahme von nicht offen zu legenden
Veränderungen an Standards durch die Bibliothek vor. 

     Zusammen mit der vorbereiteten Ausdehnung der Vereinbarung auch auf
Archivbestände der Bundesländer werden damit von Verlegerseite Kosten im
     Archivierungsprozess auf Bund und Länder gewälzt, denen nach
Einschätzung der IuK kein näherungsweise entsprechender Nutzen für die
Öffentlichkeit
     gegenübersteht. 

     Wissenschaftliche und technische Entwicklung baut stets auf den
momentanen state of the art. Der möglichst ungehinderte Zugang zu
Quellen - und
     Referenzmaterial als Ausgangspunkt gehört daher zu den
Vorbedingungen erfolgreicher Arbeit der Hochschulen, allgemeiner von
Einrichtungen für
     Forschung, Entwicklung und Lehre generell. 

     Seit mehreren Jahren wird unter dem Schlüsselwort Journal Crisis
international die Diskussion über dramatisch sich ausweitende
     Versorgungsschwierigkeiten durch Bibliotheken geführt. 

     Mit fachspezifisch durchaus unterschiedlicher Akzentuierung wurden
von wissenschaftlicher Seite Lösungsmodelle ausgearbeitet, prototypisch
erprobt und
     umgesetzt (vgl. zusammenfassend [3]). 

     Ein Kernbegriff in den international entwickelten Zielvorstellungen
ist der sog. ``eventual free access'' (der nach einer Karenzzeit
schließlich freie Zugang). 

     Für Zeitschriftenaufsätze werden ``Sperrzeiten'' zwischen sechs
Monaten und fünf Jahren diskutiert, während derer Verlegern Einnahmen
für ihre
     unterstützende Tätigkeit im Publikationsprozess zustehen sollen. 

     Im Anschluss an diese Periode soll dann nach diesen Vorstellungen
die weitere Verfügbarkeit durch öffentliche verteilte Archive im
Internet sichergestellt
     werden.

     Im völligem Gegensatz zu jedem in Diskussion befindlichen Ansatz
sieht die Rahmenvereinbarung ohne jede Differenzierung in Material und
     Publikationszeitpunkt Reisen nach Frankfurt, Leipzig oder Berlin
vor, um vor Ort gegen Entgeld Ausdrucke zu erstellen: Ein Abschied vom
     Informationszeitalter, dem eine gewisse traurige Komik nicht
abzusprechen ist. 

     Der weiteren Entfaltung und Verbreitung leistungsfähiger offener
Standards kommt für die Interoperabilität fortgeschrittener Anwendungen
eine Schlüsselrolle
     zu. 

     Über die inakzeptablen Zugangsregelungen hinaus wird der
Nationalbibliothek und in Vorwegnahme von Landesregelungen auch
regionalen Archiven, die
     Annahme von Objekten in proprietärer technischer Ausformung
zugemutet. Zusatzkosten, die den Archiveinrichtungen durch die
Behandlung dieser
     Materialien entstehen werden, tragen offenbar nicht die privaten
Verursacher, sondern (wiederum) die öffentlichen Einrichtungen. Cui
bono? 



   1.Rahmenvereinbarung zur freiwilligen Ablieferung von
Netzpublikationen zum Zwecke der Verzeichnung und Archivierung
     Bundesanstalt Die Deutsche Bibliothek, Börsenverein des Deutschen
Buchhandels e.V.; (März 2002)
     http://deposit.ddb.de/ netzpub/ web_rahmenvereinbarung.htm 
   2.IuK Initiative Information und Kommunikation der wissenschaftlichen
Fachgesellschaften in Deutschland
     http://www.iuk-initiative.org/ 
   3.Digitale Bibliotheken
     Public Draft of the IuK Initiative 05032002; 
     http://www.IuK-Initiative.org/ documents/ digbib05032002/ 


URL dieses Dokuments http://www.IuK-Initiative.org/ documents/
ddbbv11042002/ 
IuK Kommission
Kontakt: apl.Prof.Dr.R.Schwänzl, Sprecher der IuK 

--

Dem ist wenig hinzufuegen.

Klaus Graf
PS: Zur Kontroverse um JurPC siehe die Liste NETLAW-L (mit Stellungnahme
des Verantwortlichen)


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.