Bonn, 19.08.1997
- Einigung |ber Hochschulreform -
R|ttgers: Start frei f|r die Hochschule des 21. Jahrhunderts
Der Bundesminister f|r Bildung, Wissenschaft, Forschung und
Technologie, Dr. J|rgen R|ttgers, erkldrt anld_lich einer gemeinsamen Pressekonferenz
mit den Koordinatoren der SPD- und unionsgef|hrten Bundesldnder in der
Kultusministerkonferenz, Staatsminister Prof. Dr. J|rgen Zvllner (SPD/Rheinland-Pfalz)
und Staatsminister Hans Zehetmair (CSU/Bayern):
Bund und Ldnder haben sich |ber die Inhalte eines neuen
Hochschulrahmengesetzes geeinigt. Ich begr|_e es sehr, da_ der intensive
Diskussionsproze_ zwischen Bund und Ldndern |ber notwendige Reformma_nahmen im
Ergebnis nicht nur ein hohes Ma_ an Konsens in den Grundfragen der Hochschulreform,
sondern auch Einigkeit |ber deren Umsetzung im Hochschulrahmengesetz erbracht hat.
F|r die weitere Entwicklung des Wirtschafts- und
Wissenschaftsstandortes Deutschland ist die z|gige Verwirklichung der Reform des
deutschen Hochschulsystems von gro_er Bedeutung. Die Hochschulen sind die wichtigsten
St|tzen f|r Wissen und hochqualifizierte Ausbildung. Sie m|ssen deshalb in die Lage
versetzt werden, diesem hohen Anspruch auch in Zukunft gerecht werden zu kvnnen. Damit
die Hochschulen k|nftig Exzellenz und Effizienz miteinander verbinden kvnnen, m|ssen
sie heute die Chance erhalten, im Wettbewerb ihr eigenes Profil auszubilden.
Ziel der Reform des deutschen Hochschulsystems ist es deshalb, durch
Deregulierung, durch Leistungsorientierung und durch die Schaffung von
Leistungsanreizen Wettbewerb und Differenzierung zu ermvglichen
sowie die internationale Wettbewerbsfdhigkeit der deutschen Hochschulen f|r das 21.
Jahrhundert zu sichern.
In der abschlie_enden Beratung mit der nordrhein-westfdlischen
Wissenschaftsministerin Brunn, dem sdchsischen Wissenschaftminister Prof. Meyer, dem
bayerischen Kultusminister Zehetmair und dem rheinland-pfdlzischen Wissenschaftsminister
Prof. Zvllner wurden folgende wesentliche Dnderungen des Rahmenrechts vereinbart:
- Einf|hrung einer leistungsorientierten Hochschulfinanzierung
- Evaluation von Forschung und Lehre, Beteiligung der
Studierenden bei der Evaluation der Lehre
- Neufestlegung der Regelstudienzeit
- Einf|hrung einer Zwischenpr|fung in allen Studiengdngen mit
mindestens vier Jahren Regelstudienzeit
- Einf|hrung eines Leistungspunktsystems ("credit point
system") zur Akkumulation und zum Transfer von Studien- und Pr|fungsleistungen
- Ermvglichung der Vergabe der international bekannten Hochschulgrade "Bachelor"
und "Master"
- Verstdrkung der Studienberatungspflicht der Hochschulen,
damit die Studierenden fr|hzeitig Aufschlu_ |ber ihre Eignung f|r den gewdhlten
Studiengang erhalten. Das setzt das Erbringen von Leistungen der Studierenden voraus.
- Aufnahme hochschuleigener Auswahlverfahren in das allgemeine
Auswahlverfahren f|r einen Teil der Studienpldtze (ca. 20 %) in bundesweit
zulassungsbeschrdnkten Studiengdngen
- Pddagogische Eignung als unbedingte Einstellungsvoraussetzung
f|r Professoren
- Verpflichtung der Hochschulen zur Durchsetzung der Gleichberechtigung
von Frauen und Mdnnern
Damit die Hochschulen den f|r die Verwirklichung der
Reformvorstellungen notwendigen Freiraum erhalten, soll das bestehende Bundes- und
Landesrecht gleichzeitig in erheblichem Ma_e dereguliert werden. Das
Hochschulrahmengesetz soll damit auf einen Kernbestand von Vorschriften beschrdnkt
werden, der f|r ein Hochschulsystem des 21. Jahrhunderts unbedingt bundeseinheitlich
geregelt werden mu_.
Die Vorschldge der Bund-Ldnder-Arbeitsgruppe sehen insbesondere
einen weitgehenden Verzicht auf Regelungen zur inneren und du_eren Organisation und
Verwaltung der Hochschulen vor ('' 38 bis 40, 58 bis 66). Durch die Deregulierung
dieser Regelungskomplexe erhalten zum einen die Ldnder einen umfassenden
Handlungsspielraum f|r die Umgestaltung der deutschen Hochschullandschaft. Andererseits
wird der Grundstein gelegt f|r ein von Autonomie und Wettbewerb um die besten Lvsungen
geprdgtes, international konkurrenzfdhiges Hochschulsystem, das in der Lage ist,
flexibel und kreativ auf heute bestehende und sich k|nftig stellende Herausforderungen zu
reagieren.
Die Ergebnisse im \berblick:
- Einf|hrung einer leistungsorientierten Hochschulfinanzierung
(' 5)
Die staatliche Mittelzuweisung soll sich k|nftig auf eine an den in
Lehre und Forschung sowie bei der Fvrderung des wissenschaftlichen Nachwuchses erbrachten
Leistungen orientieren.
- Evaluation von Forschung und Lehre, Beteiligung der
Studierenden bei der Evaluation der Lehre (' 6)
Zur Sicherung der Qualitdt der Hochschulausbildung ist eine
kontinuierliche Evaluation von Lehre und Forschung unverzichtbar.
- Neudefinition und -festlegung der Regelstudienzeit ('11)
Die Regelstudienzeiten werden im Hinblick auf die heutige Auffassung
|ber angemessene Regelstudienzeiten neu festgesetzt. K|nftig betrdgt die
Regelstudienzeit bei Fachhochschulstudiengdngen, die zu einem Diplomgrad f|hren,
hvchstens vier Jahre und bei den |brigen Diplom- sowie den Magisterstudiengdngen in der
Regel viereinhalb Jahre.
- Aufnahme des Themas "Multimedia" (' 13)
Die bislang im HRG enthaltene Grundsatzregelung |ber die Nutzung
der Mvglichkeiten des Fernstudiums wird auf die den modernen Entwicklungen der
Informations- und Kommunikationstechnik entsprechenden Mvglichkeiten ausgerichtet.
- Verstdrkung der Studienberatungspflicht der Hochschulen ('
14)
Die Studierenden m|ssen fr|hzeitig Aufschlu_ |ber ihre Eignung
f|r den gewdhlten Studiengang erhalten. Deshalb werden die Hochschulen bei der
Studienberatung mehr als bisher in die Pflicht genommen. Sie werden sich deshalb bei den
Studierenden spdtestens bis zum Ende des ersten Jahres des Studiums |ber den bisherigen
Studienverlauf orientieren. Das setzt das Erbringen von Leistungen der Studierenden
voraus.
- Einf|hrung einer Zwischenpr|fung in allen Studiengdngen mit
mindestens vier Jahren Regelstudienzeit (' 15 Abs. 1)
In allen Studiengdngen mit einer Regelstudienzeit von mindestens
vier Jahren soll k|nftig eine Zwischenpr|fung stattfinden, die studienbegleitend
abgenommen werden kann. Das Bestehen der Zwischenpr|fung soll im Regelfall Voraussetzung
f|r die Aufnahme des Hauptstudiums sein.
- "Freischu_" in allen geeigneten Studiengdngen ('
15 Abs. 2)
In allen geeigneten Studiengdngen soll k|nftig ein sog.
"Freischu_" vorgesehen werden. Der Freiversuch hat sich in den Studiengdngen,
in denen er bislang eingef|hrt wurde, als geeignet erwiesen, die Studienzeiten zu
verk|rzen.
- Einf|hrung eines Leistungspunktsystems zur Akkumulation und
zum Transfer von Studien- und Pr|fungsleistungen (' 15 Abs. 3)
Durch die Entwicklung eines Leistungspunktsystems (Credit Point
Systems) zur Anrechnung studienbegleitender Leistungsnachweise auf Pr|fungen oder zur
Ersetzung von Pr|fungen sowie zur \bertragung von Studien- und Pr|fungsleistungen bei
einem Hochschulwechsel soll ein Hochschulwechsel aus dem Ausland nach Deutschland
und umgekehrt erleichtert werden. Zum anderen werden damit auch die Mobilitdt innerhalb
Deutschlands verbessert sowie verld_lich kalkulierbare \bergangsmvglichkeiten zwischen
den verschiedenen Hochschularten und f|r die Anerkennung von Studienleistungen
geschaffen. Das Leistungspunktsystem soll au_erdem eine Modularisierung der Studiengdnge
sowie eine grundlegende Umorganisation des Pr|fungswesens fvrdern; regelmd_ig zu
erbringende studienbegleitende Leistungsnachweise sollen die in Deutschland bislang
|blichen Zwischen- und Abschlu_pr|fungen zunehmend entlasten oder ersetzen.
- Ermvglichung der Vergabe der international bekannten Hochschulgrade "Bachelor"
und "Master" (' 19)
Den deutschen Hochschulen soll die Mvglichkeit ervffnet werden, in
grundstdndigen Studiengdngen einen Bachelorgrad und in Postgraduiertenstudiengdngen
einen Mastergrad zu verleihen. Dies gilt gleicherma_en f|r Universitdten,
Fachhochschulen und andere Hochschulen. In den k|nftig mvglichen Bachelorstudiengdngen
betrdgt die Regelstudienzeit mindestens drei und hvchstens 4 Jahre, in
Masterstudiengdngen mindestens ein Jahr und hvchstens zwei Jahre. Die dabei jeweils
vorgesehene Mindestregelstudienzeit dient der Qualitdtssicherung. Aufeinander abgestimmte
und nacheinander durchlaufene Bachelor- und Masterstudiengdnge sollen aber zusammen eine
Regelstudienzeit von f|nf Jahren nicht |berschreiten.
- Einf|hrung einer sog. Leistungsquote bei der Studienplatzvergabe
f|r bis zu 25 % der Studienpldtze im Ortsverteilungsverfahren der ZVS (' 31 Abs. 2)
Durch Einf|hrung einer Leistungsquote im Ortsverteilungsverfahren,
in dem die Studienpldtze bislang praktisch nur nach sozialen Kriterien (Wohnort) vergeben
werden, soll leistungsstarken Studienbewerbern die Mvglichkeit gegeben werden, auch
aufgrund ihrer Leistungen im Abitur an der Hochschule ihrer Wahl zu studieren, auch wenn
sie nicht in deren Einzugsbereich wohnen.
Die Aus|bung des Grundrechts auf freie Wahl der Ausbildungsstdtte
wird hierdurch auch solchen Bewerbern ermvglicht, die ein Studium an einer Hochschule
aufnehmen mvchten, an der bei ausschlie_licher Anwendung des Prinzips der Wohnortndhe
aufgrund des Wahlverhaltens der |brigen Bewerber nur in der Ndhe der jeweiligen
Hochschule wohnende Bewerber eine Zulassungsmvglichkeit hdtten.
- Aufnahme hochschuleigener Auswahlverfahren in das allgemeine
Auswahlverfahren f|r einen Teil der Studienpldtze (ca. 20 %) in bundesweit
zulassungsbeschrdnkten Studiengdngen (' 32 Abs. 3 Nr. 2 b)
Das Abitur soll auch in Zukunft grundsdtzlich den Zugang zu allen
Studiengdngen ervffnen. Statt das Abitur durch Aufnahmepr|fungen zu ersetzen oder
sonstige Zugangsh|rden zu errichten, soll weiterhin jeder durch das Abitur qualifizierte
junge Mensch die Chance erhalten, sein Leistungsvermvgen in dem von ihm gewdhlten
Studiengang unter Beweis zu stellen. Die Hochschulen sollen jedoch k|nftig bei der
Auswahl der Studierenden in numerus clausus-Studiengdngen stdrker beteiligt werden und
einen Teil der Studienbewerber nach Eignung und Motivation, etwa durch Auswahlgesprdche
oder studiengangspezifische Leistungsanforderungen selbst auswdhlen kvnnen. Hierdurch
erhalten zusdtzliche Bewerber die Chance einer sofortigen Zulassung, die im Rahmen der
Quote nach dem Abiturnotendurchschnitt wegen einer unter Umstdnden nur geringf|gigen
\berschreitung der Grenznote nicht haben ausgewdhlt werden kvnnen.
- Verpflichtung der Hochschulen zur Durchsetzung der Gleichberechtigung
von Frauen und Mdnnern (' 3, ' 37 Abs. 2 Satz 2, ' 42 Satz 2)
Die bislang bestehende Verpflichtung der Hochschulen, auf die
Beseitigung der f|r Wissenschaftlerinnen bestehenden Nachteile hinzuwirken, wird
entsprechend der mit dem 42. Gesetz zur Dnderung des Grundgesetzes erfolgten Dnderung
des Artikels 3 Abs. 2 des Grundgesetzes umformuliert und dadurch auf alle weiblichen
Hochschulmitglieder ausgedehnt und f|r die Gremienbesetzung und die Personalauswahl als
eigenstdndiger Grundsatz geregelt.
- Pddagogische Eignung als unbedingte Einstellungsvoraussetzung
f|r Professoren (' 44 Abs. 1 Nr. 2)
Die Anforderungen an den Nachweis der pddagogischen Eignung von
Bewerbern um eine Professur sollen erhvht werden. Die bisherige Regelung des HRG
("pddagogische Eignung, die in der Regel durch Erfahrungen in der Lehre oder
Ausbildung nachgewiesen wird") enthdlt eine reine Unterstellung, durch die das
Einstellungskriterium "pddagogische Eignung" letztlich entwertet wird. Durch
die Streichung der Regelvermutung wird der Weg frei f|r eine ndhere landesrechtliche
Konkretisierung dieses im Hinblick auf die wachsende Bedeutung der Lehr- und
Ausbildungsaufgaben im Hochschulbereich besonders wichtigen Qualifikationselementes.
- Habilitation und gleichwertige wissenschaftliche Leistung -
auch aus einer Tdtigkeit au_erhalb des Hochschulbereichs - als gleichberechtigte
Einstellungsvoraussetzungen f|r Professoren (' 44 Abs. 2)
Der Nachweis zusdtzlicher wissenschaftlicher Leistungen von
Bewerbern um eine Professur soll flexibilisiert werden. Er soll k|nftig nicht mehr
regelmd_ig durch eine Habilitation erfolgen m|ssen, sondern wie bei Berufungen aus dem
Ausland auch durch gleichwertige wissenschaftliche Leistungen dokumentiert werden kvnnen.
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