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mwfnewsFach06OktoberDVProdukte
Uwe Marquardt beim
Ministerium fuer Wissenschaft und Forschung
des Landes Nordrhein-Westfalen
-Referat ZA4-
Postanschrift:
40190 Duesseldorf
Voelklinger Str. 49
Tel.: (0211) 896-4257 Fax: -4348
E-Mail: marquardt at mwf.dvs-nrw.dbp.de
18.10.1995
Elektronische Mitteilungen fuer Hochschulverwaltungen Oktober
Fach06 DV-Produkte
Kopie an die Bibliotheksliste
In eigener Sache:
Diese news werden ueber OpenMail und ein gateway ins WIN geschickt.
(Vermissen Sie einen Namen? Das ist gewollt!) Die mwfnews werden ueber
einen mailserver beim HRZ der Uni Duesseldorf weiterverteilt. Sie
koennen wie folgt subscribiert werden:
Adresse: mwfnews _at__ uni-duesseldorf.de
Text im bodypart: subscribe mwfnews
Ansprechpartner: Herr Valder, Frau Graetz oder Herr Cappel im RZ der
Uni Duesseldorf (Vielen Dank nochmals, diese Werbung ist gewollt!).
Speziellere Themen werden natuerlich in speziellen Newslisten
eroertert, e z.B. die sos-user-liste bei his hannover (fuer die
Studentensekretariate).
Nachfolgend uebersende ich eine ueberarbeitete Version der Folge 2
meines Berichtes zum Weltkongress fuer Bildungsinformatik 1995 in
Birmingham. Der naechste Weltkongress findet im Jahre 2001 in
Kopenhagen statt. Eine Art Generalprobe ist die Euro Education vom
22.-24. Mai 1996 in Aalborg.
MfG Marquardt
Z A 4 - 7345.2 - Stand: 18. Oktober 1995
Tagungsbericht Birmingham WCCE95
"English and Computers you have to learn!"
(Zitat eines japanischen Toyota-Managers)
Folge 2) Firmen und Verbaende
(trotz Ueberarbeitung der ersten Version wie es viele von mir gewohnt
sind: ein subjektiver Beicht)
Die Aktivitaeten des TC 3 (Bildungsinformatik, Fachausschuss der
International Federation for Information Processing) bestehen in der
Veranstaltung von Kongressen und finden im wesentlichen in Facharbeits-
und Expertengruppen statt. Bei den Fachkonferenzen besteht neben dem
Besuch von Vortraegen und der Teilnahme an Diskussionen auch
Gelegenheit zum Kontakt mit Herstellern und Berufsverbaenden
(Ausstellermesse).
2.1) Firmenvortraege
2.1.1) Marktstrategie von Intel
(Vortrag von Herrn Craig, Vizepraesident von Intel (Eroeffnungsvortrag
am Sonntag): Die Entwicklung der Informationstechnik (IT) und deren
Implikationen fuer die Bildung)
Her Craig aeusserte sich zu folgende Aspekten der Informationstechnik:
1) wirtschaftliche Entwicklung
2) technologische Entwicklung
3) Implikationen der IT-Entwicklung fuer die Bildung
Die steigenden Ausgaben fuer IT wurden in mehrfacher Hinsicht veranschaulicht:
- zeitliche Entwicklung
- geographische Verteilung
- Verteilung nach Sektoren: Die Industrie liegt vor dem oeffentlichen
Sektor, relativ wenig wird bisher im Bildungswesen ausgegeben.
Wirtschaftlich sind auch kuenftig IT-Investitionen interessant, auch
wenn man die Kosten der IT-Aus- und Fortbildung beruecksichtigt, die
inzwischen ein Mehrfaches der Hardwarekosten ausmachen.
Die PC setzen sich gegen Mini- und Grossrechner durch, u.a. auch aus
Kostengruenden. Nimmt man die "Kosten per mips" als Massstab, so hat
sich allein in den letzten vier Jahren eine Verbesserung der Relation
Leistung zu Kosten um den Faktor 20 ergeben. Die Verbesserung der
Hardwareleistung bzw. Verringerung der Kosten hat eine Steigerung der
Leistungsfaehigkeit der Software zur Folge, welche wiederum zu hoeheren
Hardwareanforderungen fuehrt. Als Beispiel wurde die Entwicklung im
Multimediabereich genannt.
Diese Softwarespirale hat auch Folgen fuer das Bildungswesen, die
Computernutzung durch Schueler und Studenten wird sich qualitativ und
quantitativ veraendern. Dabei gibt es allerdings grosse soziokulturelle
Unterschiede bei den IT-Anwendungen: Waehrend es Laender gibt, in denen
nur die Anwendung zaehlt (IT als Werkzeug aehnlich der
Benutzung eines Autos als Fortbewegungsmittel), ist z.B. nach
internationalen Vergleichsstudien den Deutschen das Programmieren und
nicht die Anwendung bei der IT am wichtigsten (also sozusagen das Auto
zum Selberbauen). Aufgrund dieser soziokulturellen Unterschiede werden
die internationalen Hardware- und Softwarehersteller ihre Produkte
kuenftig verstaerkt national unterschiedlich vermarkten. Dies wird aber
nur zu unterschiedlichen Marketingstrategien fuehren.
Ein grundsaetzliches Hindernis, die Computerdichte weiter zu steigern,
sehen die Hersteller nicht: In den fortgeschrittenen Laendern haben
bereits jetzt zwei Drittel der Studenten praktische Computerkenntnisse.
Als weiteres Indiz wurde die zunehmende Verbreitung der elektronischen
Post als Kommunikationsmittel genannt: In den USA wuerden bereits jetzt
mehr Emails als Briefe mit der "normalen" Post versandt. Das
Emailvolumen sei um den Faktor 30 innerhalb von vier Jahren gestiegen.
Ausserdem werde der interaktive PC das Fernsehen in den USA ueberholen.
Diesen Thesen folgten einige Demonstrationen, die das Publikum
beeindrucken sollten (Dies war teilweise auch der Fall. Allerdings kam
es auch zu kritischen Reaktionen, die die Herstellerfirma sicher nicht
beabsichtigt hatte):
- Software-Hitlisten nach Altersgruppen
- Praesentationen von Multimediasoftware, insbesondere CBT
(computerbased training) mit Kindern (Stonehenge, Kids on line,
FamilienPC) sowie Demonstration einer Telefonvideokonferenz
(Videokonferenz mit einem 13 Jahre alten Schueler via Satellit)
Das kuenftige PC-Wachstum wird wie folgt eingeschaetzt: Der Heim-PC
wird den PC als Arbeitsmittel fuer die Firma ueberholen, der PC fuer
die Schule kommt erst danach. Die Verbreitung der HeimPC wurde aber
auch als paedagogische Hilfe fuer die Kinder dargestellt. Jedenfalls
werde bereits jetzt als Kaufmotiv neben der Uebersicht ueber die
haeuslichen Finanzen die Unterstuetzung der Hausarbeit fuer die Schulen als
genauso wichtig genannt. (Frohe Weihnachten! Der Vater unterm
Tannenbaum kalkuliert die Steuererklaerung und das Haushaltsgeld;
Sohnemann sieht zu und nervt die Lehrerinen mit Fragen in der Schule!)
Die kuenftige paedagogische Rolle des PC bestuende darin, dass der
Lernende durch die neuen Medien neue Moeglichkeiten erhielte, also eine
freiere Lernrolle, z.B. im Verhaeltnis zu den Lehrenden erhielte
(Lernen durch praktisches Ueben, grosse Auswahl der Software, Zugang
zum Internet als Informationsquelle). Aufgrund der steigenden
Leistungsfaehigkeit der Prozessoren seien bei der Software keine
Kapazitaetsbeschraenkungen zu erwarten.
(Das Motto der Tagung hiess: Liberate the Learners!)
2.1.2) Marktstrategie von Microsoft
(Vortrag von Jonathan Lazarus, Vizepraesident von Microsoft (Montag):
Wie koennen sich die Schulen der kuenftigen Entwicklung stellen ?)
Das allgemeine Computerwachstum ging bisher an den Schulen vorbei; der
Anteil in den Schulen wird jedoch steigen (die gleiche Aussage wie von
Intel). Die Technologie zur Unterstuetzung des Unterrichts in den
Klassenraeumen werde auf verschiedene Weise durch Microsoft gefoerdert:
- Modellschulprojekte,
- mehr Forschung durch Hochschulen und eigene Labore,
- mehr paedagogische Software
(Da wohl in den meisten Laendern der Welt DV-Investitionen in das
Bildungswesen weit hinter den DV-Investitionen fuer Banken,
Versicherungen usw. liegen, scheint das eine sehr erfolgreiche
Firmenstrategie zu sein).
Als Beispiele fuer Innovationen in der Technologie wurden genannt:
- groessere Leistungsfaehigkeit,
- hoehere Geschwindigkeit,
- Spracheingabe (Stimmerkennung),
- Handschriftenerkennung,
- Video,
- flache Bildschirme
Ferner wurden Beispiele fuer die Evolutionen von Hardware, Software und
Kommunikation erlaeutert (z.B. Hardware: PC, Multimedia-PC , PC mit
Video, PC mit TV). Dazu gab es wie bei Intel eine beeindruckende
Demonstration zu Aktivitaeten im Klassenzimmer. Anschliessend wurde
noch etwas deutlicher als bei Intel Microsofts Vision der
Bildungstechnologie dargestellt (Multimedia: Wobei keiner genau
definieren konnte, was das ist):
- Informationen zum Anfassen (auf Knopfdruck),
- Gestaltung einer Lernumgebung fuer das Loesen von Problemen,
- Unterstuetzung der Schueler-Lehrer-Beziehungen,
- Hilfe bei der Loesung von Gruppenproblemen.
Die Verbindung von Elternhaus und Schule beim Verkauf der Software
wurde wie bei Intel verdeutlicht: Der Verkauf von Heim-PCs steigt: Auch
Bildung wird als Kaufgrund angegeben (Konnte man gerade auf der
Frankfurter Buchmesse erleben). Viele Kinder kommen in die Schule
bereits mit dem Wissen, wie man Computer bedient. D.h. die Schule,
spaeter die Hochschule und die Erwachsenenbildungseinrichtungen muessen
kuenftig das anbieten, was die Schueler bereits von zu Hause kennen.
Diesen Mechanismus haben bereits viele Lehrer und Professoren in
anderen Laendern der Welt leidvoll erfahren: Er wird sicher auch in
Deutschland funktionieren. Jedenfalls ist das die Erwartung von Intel
und Microsoft.
Computer in der Schule: heute:
Die LernPC kommen aus den Laboren vermehrt in die Klassenzimmer. Es
entstehen schulinterne Netzwerke. Zunehmend wird auch das Internet
benutzt, auch zur Vernetzung zwischen den Schulen. Die Lehrer beginnen,
Multimedia einzusetzen. Die Computeranwendungen werden in die Curricula
eingebaut (Es folgte ein Multimedia-Beispiel zur Weltgeschichte: Bilder
mit Text und Ton zur Geschichte mit Verweisen wie im Lexikon. Danach
gab es eine Multimedia-Demonstration zur Entwicklung der
Wissenschaft als Bildergeschichte).
Computer in den Bildungseinrichtungen morgen:
- Die Lehrer werden noch unterrichten. Das Computernetzwerk wird den
Einsatz der Computing in den Schulen bestimmen. Schulen und Wohnungen
sind ueber das Internet verbunden. Elektronische Dokumente werden
Textbuecher ersetzen.
(Um Missverstaendnisse zu vermeiden: Dies ist eine Microsoft-Vision.
Das papierlose Buero wurde schon vor ueber 20 Jahren propagiert. Es hat
sich mittlerweile gezeigt, dass mit der breiten Einfuehrung von
Computern im Gegenteil der Papierverbrauch erheblich erhoeht hat.)
- Die Hochschulen werden Systeme zum interaktiven Lernen anbieten; das
beginnt dann mit dem Eintritt in die Hochschule (Beispiel: Lektionen
mit Pretest). Interaktive Medien werden selbstverstaendlich.
Unterstuetzung bieten European Microsoft WindowsNT Academic Centres
(Noch eine Anmerkung: Mit dieser von Microsoft angebotene
Unterstuetzung soll natuerlich der Verkauf der Produkte von Microsoft
gefoerdert und der Angriff auf offene Systeme wie UNIX vorbereitet
werden: Durch die "Unterstuetzung" sollen Kunden gebunden werden.
Waehrend frueher ueber die hardware (IBM) bzw. heute ueber die software
Kundenabhaengigkeiten erzeugt wurden bzw. werden, wird kuenftig ueber
die Schulung gesteuert. Der Kunde sieht im wesentlichen nur die
verbilligte Schulsoftware und unterschaetzt die Folgekosten fuer die
neuen hardwareanforderungen und Schulung/Umstellung von Systemen).
- Der Anschluss der Schulen an das Internet bietet Moeglichkeiten fuer
die Kommunikation der Lehrer mit den Eltern und fuer Schulpartnerschaften
- Das Internet ist noch nicht die angestrebte Datenbahn (Information
Highway), laesst aber bereits kuenftige Entwicklungen erahnen:
1) PC
2) Server
3) Video
4) interaktives TV
Als Beispiel wurde auf ein Projekt zum interaktiven Fernsehen
hingewiesen, das ein uebergreifendes Curriculum (in Klassenzimmern UND
zu Hause) ermoeglichen soll. Der Blick in die Zukunft schloss mit
folgenden Aussagen:
- je EIN Computer fuer jeden Studenten und Lehrer,
- mehr Beachtung der Lehrer als Anwender (!!!).
Diesen letzten Satz koennte man auch umformulieren: Das einzige
Hindernis, das dem "Fortschritt" noch entgegensteht, werden die Firmen
wohl auch noch ueberwinden! (indem naemlich die Lehrer mit den
Kenntnissen der Schueler konfrontiert werden, die diese an den HeimPC
der Vaeter erworben haben!).
2.2) Kritische Bewertung
2.2.1) In den Diskussionen zu beiden Vortraegen und auch im kleinen
Kreis dominierten zwei Fragen:
a) Kann man die Entwicklung verhindern oder bremsen? Wer kann sich
diese technische Entwicklung leisten (Unterschichten,
Entwicklungslaender usw.)? Die erkennbaren Trends unterstuetzen die
soziale Ungleichheit, d.h. Intel und Microsoft transportieren
Leitbilder der amerikanischen Mittelschicht in die ganze Welt und
verschaerfen die sozialen Ungleichgewichte.
b) Fuehrt die Entwicklung zur Dominanz des Englischen und werden die
nationalen Kulturen verdraengt? Zur Antwort gab der
Microsoft-Vertreter, dass Windows in 30 Sprachen erhaeltlich sei; da
die Uebersetzungsarbeit jedoch sehr teuer sei, gaebe es natuerlich eine
gewisse Reihenfolge.
Beide Aeusserungen fuehrten bei vielen Kongressteilnehmern zu
Protesten. Ich habe aber waehrend des ganzen Kongresses von niemandem
ein Rezept gehoert, mit dem man dieser Entwicklung entgehen koennte.
Insbesondere wurde mir sehr deutlich, dass
Negieren nicht hilft (dies gilt auch fuer die in Deutschland allgemein
praktizierte Strategie, sich dem Problem nur akademisch in
Fernsehsendungen und Zeitungsmeldungen, aber nicht praktisch in Arbeit
und Schule zu naehern).
2.2.2) Gut zu den Firmenvortraegen und den Diskussionen passte am
Montag ein Vortrag von Barton D Thurber, Uni San Diego:
Computer, Telekommunikation und die westliche Kultur:
Personalcomputer spiegeln die westliche Kultur wieder (westliche Werte
sind demokratische Werte, Personalcomputer und Computernetzwerke
entsprechen der westlichen Kultur des Individuums, Hypermedia
symbolisieren die Informationsfreiheit, der Computerbesitz fuehrt zu
sozialen Problemen und oekonomischen Unterschieden). Es waere schoen
gewesen, wenn ein Europaeer, insbesondere ein Vertreter der
EU-Kommission oder ein Kontinentaleuropaeer einen Vortrag zu dem Thema
Informationsgesellschaft gehalten haette. Das Programm der EU sieht ja
nicht nur eine Verbesserung der Technik vor, sondern
foerdert auch die Untersuchung der damit verbundenen gesellschaftlichen
Fragen. Jedenfalls braucht nach meiner Meinung die Informationstechnik
eine gesellschaftliche, insbesondere auch eine paedagogische Antwort.
Moeglicherweise sind die Mittel- und Suedeuropaeer (nach ihrer
Selbsteinschaetzung) eher als die Angloamerikaner in der Lage, diese
Frage zu diskutieren. Sie (insbesondere die EU und die Deutschen)
glaenzten aber durch Abwesenheit und Schweigen zu einem Weltkongress,
der faktisch fuer die naechsten fuenf Jahre die Weltmeinung zum Einsatz
von Computern in Schulen und Hochschulen formulierte und immerhin in
Europa stattfand. Insgesamt war
es aber sehr wohltuend, dass der technische Fortschritt dargestellt und die
gesellschaftlichen und kulturellen Folgen diskutiert werden konnten.
Der Kongress der deutschen Wirtschaftsinformatiker im Februar 1995
hatte z.B. diesen Aspekt fast voellig ausgeblendet. Die beiden
Kongresse in Daenemark bieten vielleicht eine Gelegenheit, die Scharte
auszuwetzen.
2.3) Ausstellung
2.3.1) Ausstellung: Firmen
Der Ausstellerkatalog wies insgesamt 88 Staende (Firmen UND Verbaende)
auf. Es gab fuenf Hauptsponsoren:
Microsoft
Intel
Apple
British Telecom (Netzwerkdienste fuer Schulen und Hochschulen),
RM (Research Machines: Schulsoftware).
Diese Firmen hatten die groessten Staende, wobei ich den RM-Stand am
interessantesten fand. Natuerlich gab es auch noch viele andere
(britische und amerikanische) Firmen, die ihre Produkte vorstellten.
Dass deutsche Firmen fehlten, hat mich nicht erstaunt (Schade! Viele
Kongressbesucher aus Osteuropa sprechen besser Deutsch als Englisch).
Zu erwaehnen ist noch, dass die britische Lernsoftware-Industrie
urspruenglich auch Deutschland als Markt erwartet hatte, sich dann
allerdings aus
Deutschland wieder zurueckgezogen hat. Neuerdings beobachte ich einen
erneuten Anlauf.
2.3.2) Ausstellung: Berufsvereinigungen
Im Ausstellungssaal gab es neben Firmen auch Angebote von
Computergesellschaften und Berufsvereinigungen der oeffentlichen Hand
zu sehen. Sehr bemerkenswert fand ich, dass die Briten den Markt nicht
allein den anbietenden IT-Firmen ueberlassen, sondern sozusagen auch
eine oeffentliche Nachfragemacht organisieren (soweit das heute gegen
Monopolanbieter moeglich ist). Das kam z.B. durch Informationsstaende
folgender Berufsvereinigungen zum Ausdruck:
MAPE (Micros And Primary Education: Primarschulen, 4000 Mitglieder)
CEG (Computer Education Group: Sekundarschulen, 1200 Mitglieder)
ISTE (International Society for Technology in Education, Internationale
Vereinigung fuer CBT, USA),
ITTE (Information Technology in Teacher Education, Vereinigung der
Hochschulen mit Lehrerausbildungsabteilungen, 100 Mitglieder)
NAACE (National Association for Advisers in Computer Education,
Vereinigung der IT-Berater der lokalen Verwaltungen, 200 Mitglieder)
ACITT (Association for Coordinators and Teachers of IT)
BCS (Schulausschuss der British Computer Society, 50 Mitglieder)
Alle Vereinigungen fuehren Veranstaltungen durch und geben (teilweise
elektronische) Zeitschriften heraus. Bei der BCS handelt es sich um das
britische Pendant der deutschen Gesellschaft fuer Informatik (GI).
Allerdings hat die BCS in Grossbritanien sehr viel mehr Einfluss als
die GI in Deutschland (vielleicht eher vergleichbar mit dem Einfluss,
den der Bund deutscher Architekten oder die aerztlichen
Berufsverbaaende in Deutschland oeffentlich ausueben). Fuer Informatiker und
Programmierer ist es z.B. so gut wie unmoeglich, eine Arbeitsstelle zu
finden, ohne Mitglied in der BCS zu sein! Ueber ihren Schulausschuss
uebt die BCS auch Einfluss auf die DV-Ausstattung der oeffentlichen
Schulen aus. Im uebrigen muss man darauf hinweisen, dass oeffentliche
Verbaende und Einrichtungen in Grossbritannien (aehnlich
wie auch zunehmend in Deutschland) nicht nur gemeinnuetzige, sondern
auch kommerzielle Interessen vertreten (Beispiele: staedtische
Krankenhaeuser als GmbHs, Technologiezentren an Hochschulen als
"profitcenters").
Folgende Behoerden und Hochschulen boten Informationen an:
NCET (National Council for Educational Technology),
SCET (Scottish Council for Educational Technology),
MEU CYMRU (Microelectronics Education Unit for Wales)
Birmingham City Council
Teaching and Learning Technology Programme (76 Entwicklungsprojekte
fuer Higher Education)
The University of Birmingham (School of Electronic)
University of Cambridge Local Examinations Syndicate
University of Liverpool (CTI Centre for Chemistry)
University of Central Lancashire (Learning Technologies Centre)
University of Hull (CTI Centre for Modern Languages)
University of Surrey (Physics)
ECCTIS 2000 (Kursinformationssystem fuer Colleges und Hochschulen)
Schon diese Aufzaehlung macht deutlich, welche Bedeutung Staat und
Hochschulen in Grossbritannien der Bildungstechnologie beimessen, wobei
der britische Staat viel staerker als in Deutschland vorstellbar ueber
die Finanzierung von Projekten das Bildungswesen auch inhaltlich steuert..
2.4) Vorschlaege
Die Aktivitaeten von Berufs- und Fachverbaenden zur Bildungsinformatik in
Deutschland sollten von der Gesellschaft fuer Informatik (GI) oder
einer anderen Einrichtung in Deutschland systematisch erfasst und
gefoerdert werden. Ferner empfiehlt sich eine vergleichende
Untersuchung im Rahmen der EU mit dem Ziel, die deutsche
Organisationsstruktur der Bildungsinformatik zu bewerten.
PS: Bei dieser Gelegenheit zum Schluss noch etwas Reklame:
Viele deutsche Informatiker und Bibliotheken sind es gewohnt, sozusagen
(fast) kostenlos das Datenbanksystem Oracle oder (schon etwas teuerer)
die Komplettpakete von sap auszuprobieren (was dann manchmal zum
Komplettabsturz ganzer Hochschulnetze wegen des hohen
Ressourcenverbrauchs fuehren soll). Diese Kollegen wird es vielleicht
interessieren, dass das von Bund und Laendern gemeinsam finanzierte
gemeinnuetzige softwarehaus der deutschen Hochschulverwaltungen (HIS
Hannover) sich zum Nutzen anderer Laender und Hochschulen an eine
Rahmenvereinbarung des Landes NRW mit der Firma Informix anschliessen
moechte (Allen zum Troste, die sich jetzt neue Sorgen machen: Ein
anderes bedeutendes Ministerium mit etwas mehr Geld als es ein MWF hat,
hat eine Vereinbarung mit der Firma Ingres abgeschlossen. Die
HIS-Produkte laufen ueberigens gleich gut auf UNIX-Rechnern der Firmen
sni, hp, ibm usw. Sie vertragen sich nicht nur mit Word, sondern auch
mit Wordperfect und sogar mit sap!
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.