[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Die Zukunft hat schon begonnen



Liebe KollegInnen,
im zusammenhang mit dem geschehen rund um das dbi mehren sich die fragen, wie es 
denn in der naechsten zeit eigentlich weitergehen soll. ohne den aeusserungen 
anderer listenteilnehmerInnen von INETBIB und FORUMOEB vorgreifen zu wollen, 
vertrete ich folgenden standpunkt:

die Ueberlegungen zur zukunft des deutschen bibliothekswesens muessen von der 
gegenwaertigen realen lage ausgehen:
1. bund, laender und gemeinden sind mit zwei billionen (= 2 000 000 000 000) DM 
verschuldet. etatkuerzungen sind deshalb keine 'sparaktionen', sondern die 
groesstenteils schmerzliche rueckfuehrung der ausgaben auf das, was wir uns 
wirklich leisten koennen.
2. die lage auf dem arbeitsmarkt laesst befuerchten, daß aenderungen im 
steueraufkommen zum positiven hin nicht so schnell eintreten werden.
3. die gegenwaertige privatisierungswelle koennte eines tages auf die 
oeffentlichen buechereien ausgedehnt werden. das muss nicht unbedingt mit 
leistungsminderungen bei den einzelnen bibliotheken verbunden sein - aber 
outsourcing, einfuehrung von modernem bibliotheksmanagement anstelle der 
bisherigen betulichkeit werden ueberhandnehmen,
4. die universitaetsbibliotheken werden an die veraenderungen im 
wissenschaftssystem  angepasst werden.
diese aenderungen sind voraussehbar und nur noch eine frage der zeit.
die max-planck-institute, die institute der fraunhofer-gesellschaft, die 
helmholtz-zentren, die institute der wissenschaftsgemeinsachaft blaue liste und 
die akademien der wissenschaften befinden sich bereits in einem 
umwandlungsprozess, in den frueher oder spaeter auch ihre informationssysteme 
einbezogen werden. Das bedeutet nicht das "aus" fuer ihre bibliotheken, wohl 
aber ihre umwandlung in dienstleistungszentren, die sich an den beduerfnissen 
der forscher zu orientieren haben - und nicht umgekehrt.
5. die zunehmende technisierung und globalisierung wird engere zusammenarbeit 
mit der informatik und den nachbardisplinen archivwesen und informationswesen 
foermlich erzwingen und auch die zusammenarbeit mit anderen 
wissenschaftsdisziplinen und den bereichen management, kulturwissenschaften, 
verhaltenswissenschaften und anderen erforderlich machen. 
6. Die infrastruktur muss wieder auf die fuesse gestellt werden: eine zentrale 
forschungs-, entwicklungs- und beratungseinrichtung aehnlich dem dbi sowie 
mindestens fuenf voll ausgebaute akademische institute fuer abd-wissenschaften 
sind fuer ein land wie die bundesrepublik deutschland unverzichtbar.
7. im verbandsbereich ist ein zusammengehen der spitzenverbände des 
bibliotheks-, archiv- und informationswesens erforderlich, weil nur so der 
einfluss auf die entscheidungsträger in politik, wirtschaft und wissenschaft 
verbessert werden kann. Eine zusammenschluss von bundesvereinigung deutscher 
bibliotheksverbaende, vda und deutsche gesellschaft für dokumentation  ist 
unumgänglich.
8. grundlegende verbesserungen der ausbildung muessen so rasch als möglich 
eingeleitet werden. Die eckforderungen sind nicht neu:
· vorlesungen und uebungen in mehr als einer sprache,
· abloesung der diplom-studiengaenge durch studiengaenge mit zwei 
berufsqualifizierenden abschluessen (bachelor und magister/magistra),
· abloesung der untauglichen lehrplaene der letzten jahrzehnte durch echte 
curricula,
· nachweis der paedagogischen befaehigung von lehrkraeften  v o r  der berufung,
· abloesung von paedagogisch ungeeigneten professorInnen durch paedagogisch 
geeignete,
· regelmaessige evaluierung und regelmaessiges ranking der 
ausbildungseinrichtungen,
· leistungsanreize fuer engagierte ausbildung und fortbildung,
9. geeignete massnahmen zur verbesserung von status, image und reputation der 
bibliothekarInnen, die im oeffentlichen ansehen noch immer unter 'ferner liefen' 
rangieren, und das bedauerlicherweise noch nicht einmal selbst bemerken.

manche werden jetzt sagen: das ist viel. ich sage: das ist das mindeste !
beim fussballspiel, im tennis und beim boxen koennen wir mit anderen laendern 
mithalten, im bibliotheksbereich gegenwaertig nicht.

mfg   H.M.
--
Heinz Marloth, Seehofstrasse 15, D-60594 Frankfurt, Germany
Tel.  069  61 23 94   eMail  marloth _at__ t-online.de
~~
Als Objekt ist ein Buch mehr als ein Kommunikations-Medium; es ist oft auch 
Kunstwerk und Besitz. Es dient nicht nur als Informations-Kanal, sondern ist 
auch Symbol fuer die eigene Identitaet. Genau so wie wir unseren Kleidungsstil 
nicht nur aus Nuetzlichkeitsgruenden waehlen, so waehlen wir Buecher auch danach 
aus, inwieweit sie unser Selbstbild und unser Zugehoerigkeits-Gefuehl zu 
bestimmten Gruppen "angemessen" widerspiegeln.
[ Joshua Meyrowitz ]



Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.