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Re: Bauwelt



Liebe Frau Saule,
was mich an solchen Texten wie dem von Ihnen zitierten immer wieder
frappiert, ist die Tatsache, dass hier Stereotypen in legitimatorischer
Absicht weitertradiert werden. Hat jemals schon jemand gefragt, wann und wo
es eigentlich die Bibliothekarin mit Dutt und mangelhaftem, naemlich
weltfremdem, Sexappeal gab? Man wuerde u.U. leicht feststellen, dass es
sich dabei um ein Wesen handelt, von dessen Existenz jeder ueberzeugt ist,
das aber noch niemand gesehen hat. Das spielt aber im Grunde keine Rolle,
denn das Aufrufen des Stereotyps dient einer einfachen Operation der
Abgrenzung: Natuerlich moechte niemand so sein, und weil niemand so sein
will (jeder will offenbar Sex haben, auch Bibliotharinnen Ende 40) und
tatsaechlich auch noch niemand gesichtet wurde, der wirklich so ist, kann
man sich innerlich auf die Schultern klopfen und zufrieden sein: man selber
ist ja nicht so.
Das ist aber nur die erste Haelfte des Stereotyps. Die zweite Haelfte ist,
dass natuerlich das Haben von HTML- und VRML- und Management-Kenntnissen
als ganz besonders sexy gilt. Und zwar bei Bibliothekaren jeglichen
Geschlechts und Alters. Faktisch ist das aber genauso ein Phantom wie
weiland die suesslich duftende Bibliothekarin mit Dutt.
Noch etwas: Merkwuerdig an all diesem Weiterreichen bibliothekarischer
Stereotypen ist, dass sie immer wieder weitergegeben werden. Ich stelle mir
vor (wahrscheinlich irre ich mich), dass Ostfriesen eigentlich nicht sehr
begeistert von Ostfriesenwitzen sind, und ich stelle mir auch vor, dass
Blondinen Blondinenwitze nur dann laut lachend weitererzaehlen, wenn sie
von einem manifesten Minderwertigkeitskomplex geplagt werden. Aehnliches
darf man von den Bibliothekaren vermuten.
Schoene Gruesse an alle mit und ohne Dutt, mit und ohne Brille, mit und
ohne VRML-Kenntnisse (was immer das sein mag), mit und ohne Sexappeal usw.
usf.
U. Jochum



>"...Kenntnisse in HTML und VRML wuenschenswert."
>Sarah Thomas, Leiterin der New Yorker Cornell University, erlaeuterte 
>in Berlin die Anforderungen, die heute an Bibliothekare gestellt 
>werden.
>"Die Veraenderungen der letzten zehn Jahre sind gravierend: 
>Nicht mehr die Endvierzigerin mit hochgestecktem Haar ist gefragt, 
>die den Suchenden frueher von Katalog zu Katalog begleitete, mit 
>jenem Sex-Appeal, den Leute haben, die sich mehr in Magazinen als in 
>der realen Welt auskennen. Bibliothekar! Selbst das Wort scheint 
>keine Bedeutung mehr zu haben, Managerqualitaeten sind gefragt. 
>Information Consultant heissen sie nun. ..."
>Zitate aus der Zeitschrift Bauwelt 89(1998)H.14 vom 9.April.

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 Dr. Uwe Jochum
 Fachreferent / Subject Specialist
 Universitaet Konstanz
 Bibliothek
 78457 Konstanz
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