[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: AW: Eingrenzung der Internetnutzung



Liebe Lieste,

 |  bitte entschuldigen Sie - ich glaube, ich bin derzeit etwas
 |  streitsuechtig ...

streiten verbindet! Dann will ich mal den Advocatus Diaboli spielen:


 |  Zuerst einmal vielen Dank; ich habe heute abend von Herrn Homann
 |  gelernt, dass man sich bei Recherchen einen "Medienbruch" heben
 |  kann ;-) 

das haengt von der Gewichtsklasse ab. 


 |  > aus Sicht des Rechercheurs waere es aber kraeftezehrend
 |  > unpraktisch,
 |  
 |  Welch gewaltiges Wort - kraeftezehrend.

woertlich gemeint: wenn man mit einem Stapel Buecher im
Gepaeck von der Spandauer¹ in die Garystrasse¹ faehrt, und
noch drei weitere Bibliotheken besuchen muss, ist man froh, wenn 
man zum Schluss nicht von eifrigen Heinzelmaennchen Muehlensteine 
zwischen WWW und OPAC gerollt bekommt und deswegen noch mal 
zum Ernst-Reuter-Platz¹ muss: kraeftezehrend.


 |  Ich habe es nach zwei abgebrochenen Hochschulstudiengaengen "nur" 
 |  zum Diplom-Bibliothekar gebracht, erinnere mich aber recht gut
 |  daran, dass nicht die raeumliche oder anderweitige Getrenntheit
 |  meiner Informationsquellen meine Kraefte aufgezehrt haben
 |  (allenfalls das Buecherschleppen; die Zeit der Medienbrueche
 |  zwischen OPAC und WWW lag noch in weiter Ferne).

Zur Erinnerung Herr Alpers, es ging in der Anfrage von 
Frau Siebler darum, welcher Aufwand zu treiben waere, 
den Medienbruch zwischen OPAC und WWW  *kuenstlich*  herzu-
stellen, nicht um die Frage, welcher Aufwand zu treiben
ist, 50 Meter entfernt stehende Angebote auf einem
Rechner gemeinsam anzubieten. Das ist ungleich schwerer.

Der Aufwand ist doch wirklich besser in ein gutes WWW-Angebot 
zu stecken, als in eine Abschottung, oder? Die Frage von 
Frau Siebler ist m.E. besonders erstaunenswert, weil sie 
selbst schon einmal Probleme mit dem umgekehrten Medienbruch 
hatte (siehe ihre Mail vom 27. Maerz). Ich finde solche
Sperrkonfigurationen unnoetig und hinderlich. Damit meine
nicht Massnahmen zum Erhalt von Basisfunktionalitaet.
Postulat: was fuer den Benutzer relevant ist und was nicht, 
sollte der schon noch selbst entscheiden. 


 |  > z.B. bei einer bibliographischen Zusammenstellung zu Roger
 |  > Penrose und Kurt Gödel eine raeumliche Trennung der benutzten
 |  > Informationssysteme (OPAC und {WWW}) vorzufinden.
 |  
 |  Und wenn wir die raeumliche Trennung endlich gluecklich
 |  ueberwunden haben (hier geht es, wohlgemerkt, nicht um die
 |  raeumliche Trennung der Informationsquellen zwischen der
 |  Bayerischen Staatsbibliothek und der Pfaelzischen
 |  Landesbibliothek, sondern um zwei vielleicht 50, 100 oder 200
 |  Meter voneinander entfernt stehende Rechner), fehlt uns zur
 |  Seligkeit unserer Kundschaft eigentlich nur noch die Ueberwindung
 |  der sprachlichen Trennung ("Was, das ist englisch?! Was soll ich
 |  denn damit?") - wie wir z.B. bei Altavista sehen, steht auf
 |  diesem Felde der Durchbruch unmittelbar bevor ;->. 

Wer das WWW *ganz* ausschliesst, schliesst auch LOC, Bayerische
Staatsbibliothek, Subito und Amerika-Gedenkbibliothek mit aus.

Wer das WWW *teilweise* ausschliessen will, muesste m.E. Regeln 
angeben, wie dies zu bewerkstelligen ist, ohne den
Rechercheur von relevanten Informationen abzuschneiden.
Wie das abstrakt und im Vorhinein, syntaktisch
zu bewerkstelligen waere, muss mir erst jemand erklaeren.

Die von Herrn Bueker vorgeschlagene Firewalls sind m.E.
ein Uebermass, sinnvoll fuer Firmen, deren Daten ge-
schuetzt werden muessen. Sollten Bibliotheken wirklich
Zeit und Geld dafuer ausgeben, Informationen ein- oder
auszusperren? Ich find es schon erstaunlich, wie unbe-
kuemmert, Begriffe wie "unerwuenschte Information" etc.
fuer andere festgelegt werden. 


 |  Und irgendwann werden wir bei der schwer ueberbrueckbaren Kluft
 |  zwischen dem intellektuellen Potential des Verfassers von
 |  Literatur und demjenigen des Rezipienten derselben angelangt
 |  sein.  

Vielleicht sollte man erst einmal Vertrauen in dieses Rezipienten-
Potential stecken, bevor man es gaengelt oder verkleinert oder 
Informationsrelevanz im vorhinein festlegt. Herr Abele schrieb:
 :  ...
 :  Die Eingrenzung haben wir dadurch erreicht, dass auf den PCs
 :  (unter OS/2 ) nur die statischen Routen zu den relevanten WWW-Servern 
 :  eingetragen waren. Eine Default-Route gab es nicht.

Vielleicht kann jemand mal umreissen, wie sich die Menge
"relevante[r] WWW-Server" zusammensetzt?


 |  Wo ist der wackere Bibliothekar oder die wackere Bibliothekarin,
 |  der bzw. die sich anschickt, die Bruecke zu schlagen?

Vor Studien am Grand Canyon vielleicht einen Ausflug in
die NYPL, die haben schon laenger Erfahrung beim erfolgreichen
Zuschuetten von Medienbruechen.


 |  Sehr geehrter Herr Homann, ich moechte Ihr Anliegen, dem
 |  Rechercheur moeglichst bequeme und damit (hoffentlich) effektive
 |  Arbeitsbedingungen zu schaffen, eigentlich wirklich nicht
 |  laecherlich machen. 

Welches Anliegen haben Sie denn selbst? Umberto Eco schreibt
ja von (mindestens) zwei Funktionen der Bibliothek, vielleicht 
ist Ihnen die zweite ja wichtiger?


 |  Das "wissenschaftliche Wohl" der Lehrenden, Lernenden und 
 |  Forschenden liegt auch mir am Herzen. Aber seit der Lektuere 
 |  Ihres Beitrages gehen mir die folgenden Verse einfach nicht 
 |  mehr aus dem Kopf:
 |  
 |    Wer aber recht bequem ist und faul,
 |    floeg dem eine gebrat'ne Taube ins Maul,
 |    er wuerde hoechlichst sich's verbitten,
 |    waer' sie nicht auch noch geschickt zerschnitten.

mag ja sein, dass die Zustaende bei Ihnen derart paradiesisch sind,
dass Ihnen die gebratenen, unzerkleinerte Eulen in den Mund fliegen, 
(vermutlich auf einer sternfoermigen Kuehlerhaube gegrillt)
ich hab da eher andere, schweisstreibende Erfahrungen:
   
   Füttere die Krähe und verkaufe sie anschließend als Truthahn.

Dieses tuerkische Sprichwort passt wohl ehr zur kuenstlichen 
Schaffung von Medienbruechen. Wer regelmaessig computer-
gestuetzt recherchiert, weiss was ich meine. 


 |      (zitiert aus dem Gedaechtnis -
 |       weiss jemand den Verfasser?)

Bei der Lautfaerbung wuerde ich vielleicht Sebastian Brant 
tippen oder auf einen anderer Vertreter des Grobianismus? :)
Vermutlich erscheint der aber nun auch bald auf der Ausnahmen-
liste des Proxy-Server! Wie lautet zukuenftig Fehlermeldung des 
Firwall-Rechners (entnommen aus dem Z 39.5 Anhang, Error Codes): 
"... Error 2001: Mir passt Ihre ganze Recherche nicht! ..."²)


 |  > In diesen Faellen reicht aber vielleicht schon der Appell an
 |  > den Goodwill der Benutzer. 
 |  
 |  (Oha! Wirklich? Tu felix Berolina!)

Nun ja, dafuer gibt es bei Ihnen in Stuttgart die hoechste Buchhaendler-
dichte in Deutschland. Die und die ortsansaessigen Verlage haben vermutlich 
das Thema WWW bereits fuer sich ein- und fuer andere ausgezaeunt. :)

Die Dame Berolina stand uebrigens mal auf dem Alexanderplatz¹
vorm Kaufhaus Tietz, (nun ist sie dort nur noch im Labyrinth des
U-Bahnhofs Alex als Wandfliese (VEB Meissen) zu sehen).
Auch so ein Medienbruch. 


 |  Genauso viel, wie der Appell an den Goodwill der Benutzer nuetzt,
 |  keine Buecher zu klauen, die entliehenen Buecher nicht
 |  kaputtzumachen, nichts hineinzumalen, sie nicht allzu lange nach
 |  Ablauf der Leihfrist zurueckzubringen, keine selbstaendigen
 |  Reparaturversuche an den Kopierern zu unternehmen, auf den
 |  aufgestellten PCs nicht dauernd in der Systemkonfiguration
 |  rumzupfuschen, und was sonst noch das taegliche
 |  Bibliothekarsdasein wuerzt? Und z.B. auch der Appell an den
 |  Goodwill der Benutzer, wenn sie gerade am "freien, nicht
 |  fachbezogenen Herumsurfen" sind, fuer die Leute, die eine
 |  Datenbank benutzen wollen, den Rechner freizumachen?

Ich hab keine Lust, eine Themaverschiebung hin zum kuenstlichen 
Konflikt Benutzer-Bibliothekar zu akzeptieren. Hier ging es 
um eine m.E. nicht notwendige Abschottung lokaer OPACs vom WWW:
ein proprietaeres, in der Pflege teures Konzept. Darueber hinaus 
provozieren gerade bevormundende Proxy- und Firewalleinstellungen 
derartige Aenderungen von Sperrkonfigurationen. 


 |  Irgendwas muessen wir in Stuttgart an der Erziehung unserer
 |  Kundschaft falsch gemacht haben ;-)

Tja, es haengt von der geographischen Lage ab, wo es wann daemmert. :)   

  
 |  Nichts fuer ungut - mein Weltbild hat halt in den letzten Jahren
 |  ein paar Kratzer gekriegt.
Kratzen tut wohl, kratzen tut weh, streiten verbindet.
</Advocatus Diaboli>
Viele Gruesse,
    Benedikt Homann.


PS: Herr Bork, ich bin nicht Chemiker, habe mich aber mal
    sehr fuer die Chemie interessiert.


¹
http://www.stadtplandienst.de/query?ORT=b&STR=Spandauer%20Str&PLZ=10178
http://www.stadtplandienst.de/query?ORT=b&STR=Garystr&HNR=21:1
http://www.stadtplandienst.de/query?ORT=b&STR=Ernst-Reuter-Platz
http://www.stadtplandienst.de/query?ORT=b&STR=Alexanderplatz





Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.