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AACR2, USMARC und Metadaten (fwd)



*------------- Bitte um Nachsicht bei Mehrfachempfang ------------*
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der folgende Beitrag 
mit 6 Schlussfolgerungen und zwei Fragen
von B. Everbsberg erschien zuerst in RAK-ONL.
Er scheint mir auch sehr gut und kritisch zu unserer 
Diskussion ueber Metadaten zu passen, voilà.
Ein schoenes Wochenende und viele Gruesse, hbk :-)

---------- Forwarded message ----------
AACR2, USMARC und Metadaten

Das US-amerikanische Committee on Cataloging: Description and Access
(Pendant zu unserer "Arbeitsgruppe fuer Formalerschliessung") hatte eine
"Task Force on Metadata and the Cataloging Rules" eingesetzt, welche das
Verhaeltnis zwischen Katalogisierungsregeln und Metadaten und insbesondere
den meistdiskutierten Standards, Dublin Core und TEI, untersuchen sollte.
Am 3. Juni verabschiedete diese Gruppe ihren Schlussbericht:

   http://www.ala.org/alcts/organization/ccs/ccda/tf-tei2.html

Zwar stehen dabei die AACR2 im Zentrum des Interesses, doch spricht nichts
dafuer, dass die Schlussfolgerungen fuer unser Regelwerk anders ausfallen
wuerden. Es werden darin einige sehr deutliche Worte gesprochen.
Daher ist es wohl richtig, sich zumindest die "Conclusions" des
Abschlussberichts genauer anzusehen. Weil die Diskussion auch hier
gefuehrt werden muss, kann es nicht schaden, davon eine deutsche
Uebersetzung zu haben, welche hiermit vorgelegt wird:

(Im Anschluss daran erlaube ich mir, zwei Fragen in die Diskussion zu werfen)

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Schlussfolgerungen

1. Metadaten ersetzen nicht eine regelgerechte Katalogisierung.
   Sie koennen eine nuetzliche Informationsquelle fuer Katalogisierer sein.

   Metadaten werden sich in den Umgebungen am besten bewaehren, fuer die sie
   geschaffen wurden, nicht in Bibliothekskatalogen. Metadaten werden sich
   nicht nutzbringend in Kataloge integrieren lassen, es sei denn, sie sind
   erstellt in Uebereinstimmung mit semantischen oder inhaltlichen Richt-
   linien, die von den Katalogregeln abgeleitet wurden bzw. von den
   Sacherschliessungsregeln und Vokabularien, die fuer die Kataloge gelten.
   Jedoch koennen Metadaten als nuetzliche Informationsquelle fuer
   die Katalogisierung von E-Materialien dienen.


2. Die meisten Metadaten-Standards haben nicht zum Ziel, ausreichende
   Angaben fuer eine Unterscheidung einer Ressource von anderen Ressourcen
   oder anderen Versionen derselben Ressource zu machen. Die inhaltlichen
   Richtlinien der meisten Metadaten-Standards verfolgen nicht das Prinzip
   der Vorlagentreue [wie es in Katalogregeln verankert ist].

   Metadaten sind in der Regel nicht als vollwertiger Katalogisierungs-
   ersatz intendiert. Insbes. sind Dublin Core Daten zur Verbesserung der
   Auffindemoeglichkeiten von Ressourcen gedacht, nicht zu deren
   Beschreibung.
   Man geht von der Annahme aus, dass ein DC-Datensatz entweder eine Ver-
   bindung herstellt zu einer vollwertigen Beschreibung wie einem Katalog-
   datensatz, oder aber direkt zum Dokument. Wegen dieser begrenzten
   Zielsetzung verlangen die inhaltlichen Regeln in den Standards DC und TEI
   nicht die vorlagegetreue Uebertragung von Elementen aus praezise vorge-
   schriebenen Quellenbestandteilen, wie dies die Katalogregeln tun. Aus
   diesem Grund sind Metadaten oft nicht hinreichend genau, um die Unter-
   scheidung einer Ressource von aehnlichen Ressourcen oder anderen
   Versionen derselben zu gewaehrleisten.


3. Metadaten sind nicht zum direkten Einspeisen in Kataloge geeignet, weil
   sie keine semantischen oder inhaltlichen Normen befolgen oder Normdaten
   anwenden, wie z.B. Namensdateien oder kontrolliertes Schlagwortvokabular.

   Die Unbrauchbarkeit von Metadaten fuer die unmittelbare Einspeisung in
   Bibliothekskataloge folgt hauptsaechlich daraus, in welcher Weise Kata-
   loge und Metadaten von normierten Inhalten Gebrauch machen bzw. nicht
   Gebrauch machen. Die Integritaet eines Bibliothekskatalogs beruht auf
   der konsistenten Anwendung wohldefinierter Normen und der Verwendung
   sorgfaeltig erstellter und gepflegter Normdateien z.B. fuer Namen und
   Sachbegriffe. Normierte Daten werden von den Meta-Standards nicht ge-
   fordert oder erwartet, wenngleich Vorkehrungen getroffen sind, dass
   solche Normen verwendet werden koennen und die Tatsache solcher
   Verwendung in den Daten angezeigt werden kann.
   Wenn eine signifikante Menge von Datensaetzen in einer Datenbank nicht
   den Kriterien der Konsistenz genuegt und nicht den massgeblichen
   Normen entspricht, verliert die Datenbank ihre Integritaet und kann
   weder die von Cutter [1] und anderen formulierten Aufgaben erfuellen noch
   den Erwartungen der Nutzer entsprechen.


4. Metadaten-Formulierer haben sich auf die Kompatibilitaet mit Austausch-
   formaten wie MARC konzentriert, nicht mit Regeln fuer Semantik und Inhalt
   von Datenfeldern wie z.B. AACR.

   Allgemein kann man weder an DC- noch an TEI-Daten hohe Erwartungen hin-
   sichtlich Konsistenz und Normierung knuepfen. Die Vaeter der Metadaten-
   Standards haben sich auf die Abbildbarkeit ihrer Elemente auf Austausch-
   formate konzentriert; Regeln fuer Semantik und Inhalt von Datenelementen
   haben sie ignoriert oder noch nicht entdeckt. Ein Datenelement mag sich
   zwar gut auf USMARC abbilden lassen, aber trotzdem der durch AACR defi-
   nierten inhaltlichen Anforderung nicht entsprechen. So wichtig die
   Kompatibilitaet mit der Austauschsyntax USMARC auch ist - die lebens-
   notwendige Arbeit der Harmonisierung mit den Katalogregeln ist noch
   gar nicht angepackt worden.


5. Metadaten aus einer nicht-AACR-konformen Quelle muessen vor einer
   Einspeisung in Kataloge stets von Katalogisierern geprueft und bearbeitet
   werden.

   Die Schlichtheit der unqualifizierten DC-Definitionen, der Mangel an
   Genauigkeit dieser Definitionen im Detail, die fehlende Verbindlichkeit,
   und die Tatsache, dass man die Datenerfassung Nutzern ohne bibliographi-
   sche Kenntnisse ueberlassen will, macht DC wenig verlaesslich und
   erzwingt sorgfaeltige Ueberpruefung durch Katalogisierer.
   Metadaten jedoch, die aus einer Quelle mit AACR2-Erfahrung stammen, wird
   man mit geringer oder keiner Ueberpruefung durch Katalogisierer verwenden
   koennen. TEI-Metadaten werden weniger manuelle Bearbeitung als andere,
   weil es fuer TEI ein hoeherentwickeltes Regelwerk gibt, weil die Liste
   der Elemente mit den Levels 2 und 3 der AACR2 recht genau abgestimmt ist,
   und weil bestimmte Elemente verpflichtend sind.


6. Metadaten-Standards wie DC muessen von Institutionen gepflegt werden,
   die verantwortungsbewusst die Weiterentwicklung leiten und die
   Anwendung ueberwachen.

   Es ist noch unklar, wie die Pflege des DC-Standards und aehnlicher
   Normen organisiert werden wird. Man muss fragen, wer die amtliche
   Liste der Element-Spezifikationen fuehren wird, die fuer jede Bewertung
   und Beurteilung von Daten aus den verschiedensten Quellen notwendig ist.
   Die verantwortliche Stelle und Ueberwachungseinrichtung fuer AACR2 ist
   das Joint Steering Committee. Verantwortlich fuer USMARC sind MARBI
   das Network Development and MARC Standards Office und die Library of
   Congress. Fuer den TEI-Standard gibt es eine solche Autoritaet im
   Gewand der TEI-Herausgeber und eines TEI-Bearbeitungsverfahrens.
   Keine solche Einrichtung existiert bislang fuer den Dublin Core. Wer
   soll, wer kann diese Aufgabe uebernehmen?

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[1] Charles A. Cutter formulierte als erster die "objectives" (Ziele), die
ein Bibliothekskatalog verfolgen soll (und diese haben sich z.T. auch in den
RAK, Paragr. 101, niedergeschlagen):

Der Katalog soll
- nachweisen, ob eine bestimmte, gesuchte Ausgabe eines Werks vorhanden ist
     [daher die genaue bibliographische Beschreibung]
- welche Werke eines Verfassers vorhanden sind
     [deshalb die Normierung der Personennamen]
- welche verschiedenen Ausgaben eines Werkes vorhanden sind
     [daher die Einheitssachtitel z.B. fuer Uebersetzungen]
und
- welche Werke zu einem vorgegebenen Thema vorhanden sind.
     [daher die Normierung der Sacherschliessung]

In den AACR werden diese Ziele seltsamerweise nirgends erwaehnt, obwohl die
Regeln sich darauf gruenden. Aber welcher eingefleischte Bibliothekar
koennte sie nicht im Schlaf aufsagen?


Es ergeben sich m.E. im Anschluss an diese Ausfuehrungen zwei Fragen:

1. Ist ein Metadaten-Standard ohne solche klaren Zielsetzungen sinnvoll?
   Je nachdem, wie man dies einschaetzt, wird die zweite Frage unterschied-
   lich beantwortet werden:

2. Koennen Metadaten ohne Konsistenz auskommen?
   Dazu muss man an folgendes erinnern:
   Der voellige Mangel an Datenkonsistenz ist der Grund fuer den horrenden
   Mangel an Praezision der Suchmaschinen, und dies war der Beweggrund
   fuer die Metadatenbewegung.

MfG B.E.

Bernhard Eversberg
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